Dienstag, 16. Oktober 2018

Mal ausnahmsweise ein paar grundsätzliche Betrachtungen ...

Das was ich jetzt schreibe ist für diesen Blog eher ungewöhnlich. Aber in meiner Facebook-Gruppe gab es heute mal wieder einen Beitragsbaum rund um den Modellbau, das Händlersterben und die Nachwuchs-Probleme ...

Da meine Meinung dort auf mehrere Antworten verteilt und unübersichtlich zu lesen ist möchte ich das mal hier zusammenfassen. Außerdem kann ich es so auch Leuten zugänglich machen die nicht in meiner Facebook-Gruppe sind.

Man hört immer wieder den selben Satz :
"Unser Hobby stirbt langsam aus."
Ich frage mich woran die Urheber dieses Satzes das festmachen. Klar, Graupner und Robbe sind kaputt gegangen. Aber war das wirklich der große Verlust ? Im Nachhinein muss man sagen "nein". Viele Bausätze die schon Jahre nicht mehr lieferbar waren kommen jetzt unter den "neuen Herren" wieder raus. Und sonst ? Das Angebot ist durch dutzende Kleinserienhersteller so vielfältig wie noch nie. Und das betrifft alle Bereiche : Elektronik, Elektrik, Antriebsteile, Beschlagteile und komplette Bausätze. So viel Auswahl wie heute hatten wir noch nie !

Ein anderer Satz ist :
"Der Nachwuchs bleibt aus."
Ist das denn wirklich so ? Ich habe als Admin der größten, deutschsprachigen Facebook-Gruppe für RC-Schiffsmodellbau einen ganz anderen Eindruck. Klar, früher war der Nachwuchs 12 bis 15 Jahre alt. Das ist vorbei. Die Schule ist heute meist ganztags, das lässt kaum Zeit für große Aktivitäten. Und war es nicht früher auch so das die Jugendlichen mit 16/17 Jahren erstmal wieder verschwanden ? Dann wurden Freundin und Ausbildung wichtiger. Frühestens mit Mitte 20 kamen die dann als Wieder-Einsteiger zurück.
Und was ist heute ? Die Leute machen ihre Schule zu Ende, dann kommen Ausbildung oder Studium. Und mit 25 bis 35, wenn sie beruflich und famliliär fest im Sattel sitzen suchen sie einen Ausgleich. Dann landen sie (dann halt als Neueinsteiger) im Modellbau. Der Nachwuchs ist also immer noch da, er hat nur jetzt Bartwuchs. Ist das denn so schlecht ? Ich denke nein. Denn dann haben die Einsteiger ein deutlich größeres Budget. Ein Problem dabei sind allerdings rasant steigende Mieten die das Vorhalten eines Hobby-Zimmers immer öfter unmöglich machen. Aber durch eine geschickte Wahl des Modells kann man viel kompensieren und "am Küchentisch" bauen. Auffällig ist allerdings das der Nachwuchs heute ganz oft die einfachsten technischen Grundlagen nicht mehr kennt. Das scheint mir ein ganz klarer Mangel der (heute SEHR praxisfernen) schulischen Ausbildung zu sein.

Der dritte, oft gehörte Satz lautet :
"Mit den Händlern stirbt unser Hobby."
 Ich hab den Eindruck das da ein ganz falsches Bild vermittelt wird. Sicher, früher gab es in den meisten großen Städten lokal tätige Händler. Die sind meist weg. Das ist schon richtig. Hohe Mieten und Personalkosten, Probleme mit den Banken und geringe Händler-Margen schnüren den Händlern oft die Luft ab. Und wenn ein Händler aus Altersgründen auf gibt findet er keinen Nachfolger.
Aber die Zahl der Händler an sich ist doch eher größer als früher. Denn früher gab es nur wenige, überregional tätige Händler. Ein Beispiel dafür war Helmut Haarhaus aus Remscheid.
Genau dieser Bereich der überregional tätigen Händler ist doch heute riesig groß geworden. Die Vertriebs-Plattform ist eben heute das Internet und nicht mehr der mit großem Aufwand gedruckte Katalog. Zusammengerechnet dürften wir heute mehr als doppelt so viel Bezugsquellen haben wie früher. Und der Satz "der Internet-Handel kostet Arbeitsplätze" ist doch Käse, im Gegenteil : er hat viele neue Arbeitsplätze geschaffen. Nur ist es für Neueinsteiger heute schwieriger geworden einen Überblick zu bekommen.

Das große Problem unseres Hobbys liegt meiner Meinung nach an ganz anderer Stelle versteckt :
Die Deutschen sind Vereins-Müde geworden. Die meisten von uns Schiffsmodellbauern sind heute "Einzelkämpfer" und wollen ganz bewusst mit Vereinen nichts mehr zu tun haben. Da aber in der Vergangenheit ein Großteil der Öffentlichkeitsarbeit für den Modellbau durch die Vereine geleistet wurde, werden wir in der Öffentlichkeit nicht mehr positiv wahrgenommen. Viele große Schaufahren sind entweder nur noch ein Schatten ihrer selbst oder sogar schon ganz "gestorben". Teilnahmen an Bundes- und Landesgartenschauen gibt es nicht mehr. Auch die Teilnahme am Gemeindeleben, das früher für die Vereine selbstverständlich war, ist Geschichte. Selbst die Teilnahme des Schiffsmodellbaus an Messen wird immer problematischer.
Dadurch wird es für die Städte immer leichter, aus kaum nachvollziehbaren Gründen, den Betrieb von Schiffsmodellen zu verbieten. Und es ist wahnsinnig schwer dagegen auf politischem Weg etwas zu unternehmen, wie das Beispiel von meiner Heimatstadt Köln eindrucksvoll gezeigt hat.


Ich wünsche mir für die Zukunft ein paar Sachen die vielleicht dazu beitragen könnten die Situation zu entschärfen :

1.)
Politiker die genug Weitsicht haben ein Hobby das nun wirklich unproblematisch ist nicht mit sinnlosen Verboten unmöglich zu machen.

2.)
Das wir alle (!) eine Lösung finden wie wir als "Einzelkämpfer" wieder enger zusammenrücken können. Denn nur zusammen können wir Veranstaltungen machen. Und nur zusammen sind wir stark genug wieder positiv in die Öffentlichkeit zu kommen !

3.)
Das die Messeveranstalter endlich einen Weg finden uns Schiffsmodellbauer wieder stärker zu integrieren. Dabei müssen wir aber auch selber ran und Konzepte entwickeln wie das für uns als "Einzelkämpfer" möglich ist.
Für mich selber habe ich den Schritt schon getan, ich werde (wenn alles gut geht) mit meiner Facebook-Gruppe einen Stand auf der Intermodellbau aufbauen.

4.)
Das die Messeveranstalter eine Lösung finden für das Wegbrechen der Händler und Hersteller auf den Messen. Bei den derzeitigen Bedingungen ist eine Teilnahme für die kleineren Hersteller und Händler nämlich völlig unattraktiv.

5.)
Das wir alle eine Lösung finden wie wir wieder bei Bundes- und Landes-Gartenschauen sowie bei Stadtfesten eine Rolle spielen. Es ist wichtig positiv wahrgenommen zu werden.

Ihr könnt hier im Blog übrigens auch mit mir diskutieren. Kommentare werde ich zeitnah freischalten und Fragen auch beantworten. Traut auch, ich beiße nicht !

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Viele Grüße, Holger Meyer